Unregistered
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Posted: Dec. 14 1999, 13:12 |
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Lieber Gerhard, lieber Sören!
So, ich versuche jetzt, mich präziser zu fassen als in meinem ersten Posting; dann klingt's auch nicht so negativ! Was ich an Mike Oldfield's Musik so schätze, ist die Ruhe, welche beim Hören seiner Stücke bei mir einkehrt. Und zwar ist dies eine Art "aktive Ruhe", wo ich ganz gute Gedanken entwickeln kann, ohne dass die Musik nur Kulisse ist; ich bin mir der Komplexität und Schichtung der Instrumente auch stets bewusst. Dieses Gefühl kommt aber auch aus einem anderen Grund: Seine Stücke sind zum Teil extrem lang, so etwas hatte ich, bevor mir Oldfield das erste Mal zu Ohren kam, noch nie gehört! Taurus 2, Amarok usw. lassen mich, wie soll ich sagen, irgendwie fliegen. Das mag jetzt kitschig klingen und ist natürlich eine sehr persönliche Feststellung, darüber bin ich mir im Klaren, und doch habe ich insgeheim das Gefühl, dass gerade dieses Moment eine grosse Rolle auch bei anderen Zuhörern dieser Musik spielt; ich merke gerade, dass ich u. a. deshalb so wütend war beim Anhören von "The Millennium Bell": mir fehlte die Kontinuität, die Zeitlosigkeit der früheren Kompositionen. Für mich war Oldfield immer eine Art Insel im ganzen Ozean der seichten und hektischen Musikunterhaltung - viele meiner Kollegen halten nicht viel von seinen Stücken, und deshalb muss (darf?) ich ihn mir oft alleine anhören. Jetzt denke ich, dass er den Schritt in eine Sparte getan hat, welche ein grosses Publikum eine Zeit lang unterhalten kann, ihn danach aber sang- und klanglos fallen lässt, weil sie wieder etwas neues, aus meiner Sicht genauso Kurzlebiges braucht. Stellt Euch einmal vor, dieses auf Unterhaltung und nicht auf Entdeckung von Klangfarben, ausufernder Verspieltheit und Zeitlosigkeit "geiles" Publikum bekommt ein Stück wie "Amarok" zu hören! Die haben doch nicht einmal die Zeit, sich die ganze Platte anzuhören und zu merken, dass es stellenweise derart geniale Ideen darauf hat, dass man also wirklich weit gehen muss, um Vergleichbares zu finden. Und genau diesem Publikum, so kommt es mir jedenfalls vor, hat sich Oldfield diesmal, vielleicht aus kommerziellen Gründen, verschrieben. Bitte versteht mich nicht falsch, wem die Platte gefällt, der hat bestimmt eine individuelle Beziehung dazu - ich tu' mich schwer damit. Vielleicht beantwortet das oben Geschriebene, Sören, auch Deine Frage nach der "Durchschnittsware" zum Teil. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies meine Meinung und die deshalb eine Sichtweise unter vielen ist. Du hast recht, Sören, ein Künstler sollte immer das tun, was ihm gefällt. Oldfield hat dies früher sicherlich getan, sonst hätte sich seine Musik nicht derart vom Rest abgehoben - diesen Eindruck habe ich bei der neuen Platte nicht mehr. Auch Du liegst wahrscheinlich richtig, Gerhard, wenn Du sagst, dass es auch bei Platinum ein Geschrei gegeben hätte. Beim Schreiben dieser Zeilen wird mir immer mehr bewusst, dass Musik nun mal Geschmackssache ist und bleibt, gottseidank! Weisst Du, Sören, ich vermisse nicht die Gitarren in den neuen Kompositionen, sondern das "Grundkonzept Oldfield", um es einmal so zu nennen. Na ja, wahrscheinlich bin gerade ich ein Opfer von Musik als Konsumgut und erwarte immer eine Steigerung von Platte zu Platte. Aber wieder einmal so etwas wie Amarok in den Händen zu halten wäre halt doch schön!
Ich hoffe mit meinen zuweilen radikalen Äusserungen im ersten Posting niemanden verärgert zu haben. Meine Gefühle hat "The Millennium Bell" eben nicht berührt. Was soll's.
Gerhard, Sören, danke für's Lesen und eine gute Zeit,
Andi. (brunnair@freesurf.ch)
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